Aktueller Stand des Ausbaus von erneuerbaren Energien

Aktueller Stand des Ausbaus von erneuerbaren Energien

Im Jahr 2023 wurde historisch betrachtet die höchste Menge an Strom aus erneuerbaren Energien in Deutschland erzeugt. Die Frage, die sich nun stellt, kann dieses beeindruckende Tempo des Ausbaus nachhaltig beibehalten werden, um die ambitionierten Klimaziele des Landes zu erreichen. Tagesschau.de hat Experten zu dieser Thematik konsultiert und ihre Einschätzungen eingeholt.

Deutschland strebt bis spätestens 2045 an, emissionsfrei zu sein, wobei einige Städte und Bundesländer sogar eine Klimaneutralität bis 2040 anstreben. Ein entscheidender Faktor auf diesem Weg ist der verstärkte Ausbau erneuerbarer Energien und die Nutzung dieser nachhaltigen Energieträger, um grünen Strom zu erzeugen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, dass der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Strommix im letzten Jahr einen bisherigen Höchststand erreicht habe. Er ist optimistisch, dass das aktuelle Ausbautempo beibehalten wird und Deutschland somit seine Klimaziele im Energiebereich bis 2030 erreichen kann.

Erneuerbaren Energiequellen machen mehr als die Hälfte des erzeugten Stroms aus

Die angestrebten Ziele sehen vor, dass mindestens 80 Prozent des Stromverbrauchs aus regenerativen Energien stammen. Im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres wurde bereits mehr als die Hälfte erreicht. Um die Quote weiter zu steigern und dem Zielwert näher zu kommen, ist vor allem eine Erhöhung der Produktion von erneuerbaren Energien aus nachhaltigen Energieträgern, wie Photovoltaik, Biomasse, Wasserkraft oder Windenergieanlagen erforderlich.

Im Jahr 2023 erreichte die kombinierte Bruttoleistung bei der Stromerzeugung von Solarenergie, Windenergie an Land und auf See sowie Biomasse in Deutschland laut Bundesnetzagentur beeindruckende 160.339 Megawatt (ungefähr 160 Gigawatt). Dies entspricht einem Anteil von 56 Prozent an der Gesamtstromerzeugung. Im Vergleich dazu waren es 2022 fast 20 Gigawatt weniger und vor einem Jahrzehnt nur etwa die Hälfte. Nach den vorliegenden Daten befinden sich mindestens drei der vier Energieträger über oder zumindest auf dem erforderlichen Ausbaupfad, um die Ziele des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu erreichen. Das vergangene Jahr scheint auf den ersten Blick also erfolgreich für die Energiewende gewesen zu sein. Wie jedoch Experten diese Entwicklung bewerten, bleibt abzuwarten.

Nur ein Tropfen auf dem heißen Stein

Andreas Löschel, Professor für Umwelt- und Ressourcenökonomik sowie Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum, betont im Gespräch mit tagesschau.de, dass das Jahr 2023 als ein positiver Schritt betrachtet werden kann. Es gab nicht nur einen Anstieg bei der Anzahl der installierten Anlagen, sondern auch bei den Genehmigungen, die für zukünftige Inbetriebnahmen entscheidend sind. Trotz dieser Fortschritte ist Löschel der Meinung, dass noch viel getan werden muss.

Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), begrüßt grundsätzlich den schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien im Vergleich zur Vergangenheit. Allerdings dämpft sie die Euphorie, da das allgemeine Ausbautempo immer noch nicht ausreichend hoch ist, um die Klimaziele bis 2045 zu erreichen.

Auch Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, teilt diese Ansicht, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht. Allerdings reicht der aktuelle Ausbau erneuerbarer Energien noch bei Weitem nicht aus, um die Energiewende vollständig zu realisieren. Trotz der Bemühungen der Bundesregierung sei es noch kein Selbstläufer. Quaschning unterstreicht die Notwendigkeit, weiterhin die bestehenden Hürden zu überwinden.

Seit 2016 – Solarleistung aus Photovoltaik mehr als verdoppelt

Die Ziele für die beiden Hauptbereiche erneuerbarer Energien, nämlich Solar- und Windenergie an Land, sind noch weit von ihrer Erfüllung entfernt. Insbesondere bei der Solarenergie soll die installierte Leistung von Photovoltaik bis 2030 auf 215 Gigawatt steigen. Im Jahr 2023 wurden laut dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) immerhin mehr als eine Million neue Solaranlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung errichtet, was einen Rekord darstellt.

Im Bereich der Stromerzeugung aus Sonnenlicht wurden im genannten Zeitraum Systeme mit einer Spitzenleistung von etwa 14 Gigawatt auf Dächern und Freiflächen in Betrieb genommen. Dies bedeutet eine Verdopplung der installierten Leistung seit 2016, wie von der Bundesnetzagentur berichtet. Der aktuelle Ausbaustand übertrifft sogar die Ausbauziele des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).

Die Expertin Kemfert bestätigt gegenüber tagesschau.de, dass bei der Solarenergie der angestrebte Pfad eingeschlagen wurde. Trotzdem gibt es noch erhebliche ungenutztes Potenzial, um auf Dächern erneuerbare Energie zu erzeugen, sowohl bei öffentlichen als auch privaten Gebäuden. Um diese zu erschließen, sollten Projekte zur Bürgerbeteiligung an Solaranlagen vorangetrieben werden.

Freiflächenanlagen brauchen Platz

Laut Quaschning hat sich die Solarenergie positiv entwickelt, von einer neu installierten Leistung von 1,5 Gigawatt im Jahr 2015. Um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen, werden jedoch eher 30 Gigawatt pro Jahr benötigt. Er betont jedoch, dass dies nicht mehr als unmöglich angesehen wird.

Es gibt jedoch Verbesserungsmöglichkeiten, insbesondere in zwei Bereichen: bei Mietshäusern und im Gewerbesektor. Es ist wichtig, dass auch Mieterinnen und Mieter von kostengünstigem Solarstrom profitieren können. Zudem haben viele Mittelständler beträchtliche Hallenflächen, auf denen zusätzliche Anlagen installiert werden könnten.

Experte Löschel weist darauf hin, dass bei der Nutzung von Freiflächen sowohl im Umfang als auch in der Konkurrenzlage noch Unsicherheiten bestehen und abzuwarten bleibt, ob ähnliche gesellschaftliche Streitigkeiten wie bei der Windenergie auftreten.

Nur wenig Aufwind - Windenergie stagniert

Quaschning sieht die Windenergieentwicklung kritisch, da Ausbauziele und Genehmigungen von Windenergieanlagen stagnieren, hauptsächlich aufgrund lokaler Widerstände und umstrittener Regelungen in einigen Bundesländern. Dies könnte die Erreichung der Energieziele erschweren, wenn ein beträchtlicher Teil des Bundesgebiets weiterhin ausgeschlossen bleibt.

Die Bundesregierung plant eine Verdopplung der Leistung von Windkraftanlagen bis 2030, wobei der Großteil, nämlich 115 Gigawatt, auf Land entfallen soll. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 1.464 neue Windräder genehmigt, was laut Bundesnetzagentur den höchsten Wert seit 2016 darstellt. Trotz einiger positiver Veränderungen der Bundesregierung im Bereich der Windenergie sind die tatsächlichen Zahlen noch nicht zufriedenstellend, so Kemfert.

Notwendigkeit von Netzausbau und attraktivere Rahmenbedingungen

Im Jahr 2023 wurden nur 81 neue Windräder an Land in Betrieb genommen, und laut Löschel sind die derzeitigen Ausbauziele noch nicht erreicht. Die Effektivität der beschleunigten Genehmigungen und die Umsetzung des gesetzlichen Ziels, bis 2032 zwei Prozent der deutschen Fläche für Windenergie auszuweisen, bleiben noch unsicher.

Andreas Löschel, Professor für Umwelt- und Ressourcenökonomik sowie Nachhaltigkeit betont, dass auch die wirtschaftlichen Bedingungen eine Rolle spielen. Insbesondere fehlen derzeit noch die räumlichen Anreize für den Ausbau, besonders in windärmeren Regionen im Süden Deutschlands. Um Investitionen anzukurbeln, schlägt er vor, regionale Ausschreibungen anstelle von landesweiten und differenzierte Netzentgelte zu verwenden.

Quaschning weist darauf hin, dass die Integration der gestiegenen Leistung erneuerbarer Energien ins System noch viele ungelöste Probleme aufweist, darunter Netzausbau, Energiespeicherung und Reservekraftwerke.

 

Quelle: tagesschau.de

 


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